Natalie Karl und Matthias Klink: CD "Die ganze Welt ist himmelblau ..."

CD-Digipack mit Booklet: Die ganze Welt ist himmelblau ...
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Die ganze Welt ist himmelblau ...
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Interview „Die unterschätzte Muse“

Für ein romantisches Operettenkonzert auf CD braucht man einen Sopran und einen Tenor, vor allem Sänger, die die Gattung endlich ernst nehmen. Natalie Karl und Matthias Klink haben eine hellwache Schwäche für die unterschätzte und daher leider viel zu oft leichtfertig aufgeführte Operette. Das erste gemeinsame Operettenrecital des Stuttgarter Künstlerehepaars, bei dem es von der Philharmonie Baden-Baden und dem Dirigenten Pavel Baleff begleitet wird, widmet sich neben einigen populären Nummern, unter anderem von Franz Lehár, vor allem weniger bekannten Operetten von Emmerich Kálmán, Eduard Künneke, Robert Stolz, Carl Millöcker, Paul Lincke und Paul Abraham.


Matthias Klink, was war Ihr erstes Operettenerlebnis, erinnern Sie sich an einen Moment, in dem Sie die Operette als Genre wahrgenommen haben?

Matthias Klink Natalie, Du zuerst.
Natalie Karl Bei uns zuhause gab eine einzige „klassische“ Schallplatte: Das Wunschkonzert mit Anneliese Rothenberger. Ich habe als Kind eigentlich nur Operetten gehört, eben mit Rothenberger, aber auch mit Fritz Wunderlich. Besonders an das Wolga-Lied mit ihm erinnere ich mich gut.
Matthias Klink Ich bin geprägt von deutschen Opernstars wie Rudolf Schock und René Kollo, die ganz selbstverständlich immer die leichteren Sachen gesungen haben. Aber damals war diese Art von Musik im Fernsehen viel präsenter.

Natalie Karl, was fasziniert Sie an der Operette – ist es nur die musikalische Qualität oder bietet sie etwas, das eine Darstellerin reizt, und was in der Oper nicht zum Tragen kommt?

Natalie Karl Die Anforderungen der Operette sind letztlich größer als in der Oper. Gesangstechnisch ist das auf dem gleichen Niveau, aber es kommt hinzu, dass man als Schauspieler anders gefordert ist: du musst tanzen können, du musst eine Begabung für Komik haben, vor allem muss man sehr gut sprechen…
Matthias Klink …der Wechsel zwischen Gesangsnummern und Sprechszenen ist die besondere Herausforderung. Man kennt das zwar vom Singspiel, Mozarts „Entführung“ beispielsweise, und von der Spieloper: aber in der Operette haben die Dialoge mehr Gewicht. Ich habe auch lernen müssen, die Musik, das Stück und damit mich selbst mehr zu „verkaufen“: Sich also an die Rampe zu stellen und das rauszuhauen auf eine andere Art und Weise, als man das von der Oper kennt. Operette auf der Bühne ist direkter.
Natalie Karl Man muss einfach mehr Sendeleistung bringen, darf aber nicht vergessen, das alles ernst zu nehmen, die Musik emotional genauso in sich zu verankern wie bei der Oper.

Sie haben sich im Studium in Stuttgart kennen gelernt, später waren Sie gemeinsam in Köln im Engagement – spielte Operette schon früh eine Rolle für Sie, oder kam das später?

Natalie Karl Unsere erste große Premiere in Köln, in unserer Debütspielzeit 1995/96, war tatsächlich eine Operette, und wir standen gleich gemeinsam auf der Bühne, ein Offenbach- Doppelabend mit „Salon Pitzelberger“ und „Ba-ta-clan“.

Und wie war die erste Operette auf der Bühne?

Matthias Klink Wir haben damals schon gemerkt, dass man die Operette nicht unterschätzen darf. Und unterschätzt wird sie bis heute viel zu oft. Das ist ein Fehler, denn das Genre ist unglaublich komplex.

Natalie Karl, Sie sind auf die Adele in der „Fledermaus“ abonniert, eine echte Fegerrolle – rutscht man schnell in eine Rollenschublade, aus der man schwer wieder herauskommt?

Natalie Karl Stimmt, ich bin schon ein bisschen auf die komischen Partien abonniert. Weil ich komisch bin!
Matthias Klink Keine Adele kullert so toll vom Sofa, wie Natalie in der „Fledermaus“-Produktion der Volksoper Wien.

Ist es schwerer oder leichter, wenn man als Ehepaar zusammen auf der Bühne steht oder wie jetzt bei diesem Aufnahmeprojekt vors Mikrofon geht?

Natalie Karl Wir brauchen jedenfalls keine Paartherapie mehr. (lacht) Einerseits ist es natürlich viel einfacher, weil man keine Berührungsängste hat. Bei uns kommt glücklicherweise hinzu, dass wir uns in musikalischen Fragen ziemlich einig sind.
Matthias Klink Da merkt man, dass wir sängerisch gleich erzogen worden sind.
Natalie Karl Andererseits ist der gemeinsame Auftritt oder so eine Aufnahme eine gute Übung, sich wieder aufeinander einzustellen. Irgendwie ist es auch sehr romantisch, oder?
Matthias Klink Schon, wenn Du den Schlusston nicht länger hältst als ich. (beide lachen)
Natalie Karl Was ich kann, kann ich halt.

Die große Zeit der Operette war kurz, von etwa 1850 bis 1930 entstanden die wichtigsten Werke. Heute werden Musicals oder szenische Liederabende komponiert und arrangiert, aber keine Operetten mehr – und nach Einschätzung vieler ist die Operette tot. Wie sehen Sie das?

Natalie Karl Wir wollen, dass dieser Schatz nicht vergessen wird. Heute werden Operetten-Gesamtaufnahmen viel seltener als beispielsweise in den siebziger Jahren produziert. Den Platz, den Operetten früher einnahmen, besetzen heute Musicals...
Matthias Klink ...aber die haben mit den durchgearbeiteten Werken von Franz Lehár oder Eduard Künneke nichts mehr zu tun. In dieser Hinsicht ist die Operette tatsächlich historisch geworden. Aber in der Oper besteht der Großteil des Repertoires – salopp gesagt – auch aus alten Schinken. Warum sollte man Operetten deshalb anders bewerten? Ich bin dafür, sie wie Opern mit dem gleichen Anspruch ans Niveau lebendig zu halten. Schade ist, dass im Theaterbetrieb nur noch eine handvoll Stücke aufgeführt werden.

Was sind Ihre Erfahrungen mit der szenischen Umsetzung von Operetten, was sind die besonderen Schwierigkeiten und Herausforderungen?

Matthias Klink Oft mangelt es, ganz schlicht gesagt, am Handwerk.
Natalie Karl Zum Handwerk gehört sehr gutes Timing, innerhalb der Dialoge und wie die Tänze, Sprechszenen und Musiknummern aufeinander folgen. Deshalb schadet es nicht, wenn ein Regisseur auf Operetteninszenierungen spezialisiert ist, wie zum Beispiel an der Volksoper Wien, wo das Genre noch gepflegt wird. Viele Opernregisseure scheitern ja daran, dass sie den Unterhaltungsaspekt vernachlässigen.
Matthias Klink Die Balance zu finden ist schwer. Wenn man den tatsächlich oft vorhanden Subtext, das kritische Moment zu sehr in den Vordergrund rückt, verliert sich die Leichtigkeit, die selbst auch etwas Gefährdetes oder Ironisches hat.
Natalie Karl Hinzu kommt, dass man sorgfältiger besetzen muss. Typen sind wichtig – man kann eine „Lustige Witwe“ nicht allein mit jungen Künstlern besetzen, man braucht für einige der Nebenfiguren richtige „alte Macker“, sonst funktioniert das nicht.

Was waren Ihre Kriterien bei der Auswahl der CD?

Matthias Klink Erstens wollten wir die Werke vom Beginn des 20. Jahrhunderts in Erinnerung rufen und zweitens sollte Robert Stolz dazu gehören, der ja auch ein richtiggehender Schlagerund Filmkomponist gewesen ist. Sachen vor allem also, die etwas in Vergessenheit geraten sind. Es war nicht einfach, gute Arrangements dafür zu finden, gerade bei den Stolz-Nummern, die oft viel zu üppig und soßig orchestriert worden sind.
Natalie Karl Die bekannten Nummern der klassischen Operette sind nicht vom Vergessen bedroht, deshalb wollten wir nur wenige dieser Hits einspielen. Uns war auch wichtig, für die CD eine stimmige Reihenfolge der Einzelnummern zu finden.
Matthias Klink Thematisch gibt es Verbindungen, so kreisen einige Stücke um die Nacht, andere ums Küssen, das sollte in einem sinnvollen Zusammenhang stehen. Aber natürlich haben wir die Nummern nicht als absolute Musik verstanden, den szenischen Kontext, wenn er uns nicht bekannt war, haben wir uns vor den Aufnahmen schon noch einmal vergegenwärtigt.

Zum Teil sind auf der CD große, bekannte Nummern. Natalie Karl, Sie zum Beispiel singen „Meine Lippen, sie küssen so heiß“ aus Lehárs „Giuditta“. Das haben Sopranistinnen wie Elisabeth Schwarzkopf, Hilde Güden, Lucia Popp interpretiert – wie frei macht man sich von diesen Vorgängerinnen? Oder hört man sich das vor einer Aufnahmesitzung bewusst zu Studienzwecken an?

Natalie Karl Natürlich kenne ich diese Aufnahmen, aber ich habe mich von den Namen nicht schrecken lassen und versucht, einen eigenen Interpretationsweg zu finden.
Matthias Klink Interessant wird es, wenn man sich historische und damit authentische Aufnahmen anhört, zum Beispiel mit Richard Tauber, für den Lehár viele Rollen komponiert hat. Mich erstaunt, mit welcher Freiheit Tauber singt, zum Beispiel bei den Tempi. Zugleich kann man hören, mit welchen Feinheiten und Details da musiziert wird, übrigens auch später noch von Sängern wie Nicolai Gedda und Anneliese Rothenberger, von einem Dirigenten wie Otto Ackermann.
Natalie Karl Da gibt es eben nicht diesen Rausschmeißergestus, den man heute von Galaabenden kennt, wenn eine Operettennummer am Schluss steht.
Matthias Klink Noch mal zurück zu diesen Freiheiten eines Tauber. Für mich ist die Folgerung, dass der Komponist das akzeptiert und damit sanktioniert hat, und ich selbst versuche, sensibel und im Sinne der Musik, das mit gleicher Flexibilität zu singen. Dazu gehört, den Text zu kolorieren, ihn gut zu artikulieren. Im Grunde gehe ich ein Operettenlied mit dem gleichen musikalischen Ernst und Respekt an wie ein Lied von Schubert oder Schumanns „Dichterliebe“.

Viele Opernsänger haben keine Beziehung zur Operette, warum haben Sie eine Schwäche dafür?

Matthias Klink Weil sehr gute Musik darunter ist. Es gibt auch zweitklassige Opern. Warum sollte man Operetten, in denen sich erstklassige, spannende Musik findet, nicht aufführen? Die ist teilweise hervorragend und sehr subtil instrumentiert, bei Lehár und Emmerich Kálmán etwa.

Was würden Sie entgegnen, wenn jemand behauptet, das sei alles Kitsch?

Natalie Karl Ich setzte dem nichts entgegen. Sondern sage: ich habe kein Problem mit Kitsch, gut gemachtem Kitsch. Wird dieser Vorwurf nicht gemacht, weil einen diese Musik teilweise emotional sehr berührt? Gegen Gefühle habe ich nichts.
Matthias Klink Für uns ist entscheidend: wie gehen wir an diese Musik heran? Bei unserer CD-Aufnahme war das eine gewisse Intimität und das Vermeiden von Äußerlichkeiten, also keine extra eingebauten Spitzentöne, keine dynamische Einebnung, nicht einfach über den Text hinweg singen und alles gleich laut herausschmettern.

(Das Interview führte Götz Thieme, Musikredakteur der Stuttgarter Zeitung)

 
 
   
© 2011 Natalie Karl und Matthias Klink